Maiestas Vermögensverwaltungs AG Vorstand
Petra Ahrens im Interview über Aktien und Börsenkurse
Frau Ahrens, die Kurse an den europäischen Aktienmärkten stehen unter Druck. Der Dax hat mit einem deutlichen Minus auf die sich verschärfende Corona-Krise reagiert. Ist es jetzt ein guter Zeitpunkt für Anleger einzusteigen?
Petra Ahrens: Der Zeitpunkt ist für einen Aktienanleger gar nicht so entscheidend. Man muss sich bewusst sein, dass es immer um einen langfristigen Zeitraum geht, wenn man in Aktien investiert. Und ich glaube, dass in fünf Jahren keiner mehr darüber spricht, ob er sich im März oder November eingekauft hat. Grundsätzlich ist es aber natürlich so, dass gerade im Corona-Modus und jetzt, wo die Märkte sowieso korrigiert haben, es vom Gefühl her angenehmer ist, in günstigere Märkte einzusteigen als zu absoluten Höchstpreisen, wie es im Januar dieses Jahres der Fall war.
Glauben Sie, dass die Kurse bis Ende des Jahres weiter fallen?
Ahrens: Ich glaube, dass sich die Märkte stabilisieren werden. Wir haben das Mitte des Jahres schon einmal erlebt. Im Moment gibt es zwei Faktoren, durch die die Märkte stärker in Schwankung geraten: Das ist neben der zweiten Corona Welle die Nervosität vor den US-Wahlen. Ich denke, wenn wir Anfang November die US Wahlen – und da ist es nicht nachhaltig relevant, wie sie ausgehen – und vielleicht auch die zweite Welle überstanden haben, könnte ich mir zum Jahresende eine Stabilisierung und einen fortsetzenden Aufwärtstrend an den Finanzmärkten vorstellen.
Welchen Einfluss haben denn die weiteren, am Mittwoch beschlossenen Einschränkungen auf die Märkte?
Ahrens: Natürlich wird ein zweiter Lockdown, auch wenn er nur temporär ist, einen gewissen Petra Ahrens, Vorständin der Kölner Maiestas Vermögensmanagement AG, über Börsenkurse und Aktien Einfluss auf die Finanzmärkte und die Wirtschaft haben. Doch die Börsen ticken ja so, dass sie Fantasie handeln oder gewisse Szenarien vorwegnehmen. Was gerade passiert, ist schon eine Vorwegnahme. Das bedeutet, wenn sich die Umstände beruhigt haben, profitieren wir im Jahr 2021 gegebenenfalls von wirtschaftlich wieder besseren Aussichten. Wir laufen also im Moment dem ganzen Szenario vorweg. Es ist gerade sehr entscheidend, worin man investiert. Denn Aktie ist nicht gleich Aktie. Wir müssen zwischen Unternehmen unterscheiden, die robuste Geschäftsmodelle haben und auch in Zukunft ihre Gewinne machen und Unternehmen, die weniger ertragreiche Geschäftsmodelle haben und denen es schon vor Corona nicht gut ging. Ein Beispiel ist die Touristikbranche: Einer Lufthansa geht es nicht erst seit der Pandemie schlecht. Aber solche Konzerne haben natürlich in Krisensituationen besonders zu leiden.
Wie kann ein Anleger erkennen, welche Unternehmen robust sind? Muss er die Geschäftsberichte lesen?
Ahrens: Das wäre natürlich sehr gut. Man muss sich schon tiefer mit der Materie auseinandersetzen. Selbstverständlich hilft der menschliche Verstand bei der Auswahl, getreu dem Motto „kaufe nur, was du kennst“! Wenn ich mir überlege, welche Geschäftsfelder gute Wachstumsaussichten haben, muss für mich als Anleger ein verständliches, nachvollziehbares Geschäftsmodell zu sehen sein. Es sollten starke internationale Marken damit verbunden sein. Ein Beispiel: Egal wie groß die Krise ist, wir werden alle weiterhin Hygieneartikel und Lebensmittel konsumieren. Man kann auch schauen, ob ein Unternehmen in der Branche führend ist oder wie das Management aufgestellt ist.
Welche Märkte bieten sich an?
Ahrens: Ich würde grundsätzlich breit streuen. Unterschiedliche Länder haben unterschiedliche Regierungen und Krisen. Wenn ich mich weltweit mit entsprechend großen Firmen auseinandersetze, kann es keinFehler sein, wenn ich einen Korb habe, der international breit gestreut ist – sei es in den USA, in Europa oder Asien.
Welche Unternehmen oder Branchen könnten aus der derzeitigen Krise als Gewinner hervorgehen?
Ahrens: Ein Megatrend wird sicherlich weiterhin die Digitalisierung sein. Von Corona profitiert die Gesundheitsbranche. Unternehmen wie Amazon und Apple sind Nutznießer der Situation. Man kann sich zudem fragen, wer vom Homeoffice profitiert. Ein Unternehmen wie zum Beispiel SAP soll bis 2023 das Cloud-Geschäft verdreifachen und trotz Corona Krise bestätigte SAP die mittelfristigen Ziele und korrigierte die kurzfristigen Ziele minimal, woraufhin der Kurs um mehr als 20 Prozent einbrach. Unternehmen der Branchen Konsum, Gesundheit und Digitales werden in den kommenden Jahren weiterhin gefragt sein.
Und welche Risiken gibt es denn für Anleger?
Ahrens: Wenn der Anleger die robusten Geschäftsmodelle und starken Marken im Blick hat und auf Branchen setzt, die weiterhin nachhaltige Gewinnchancen generieren, besteht das Risiko nur darin, dass er Schwankungen aussitzen muss. Er könnte Schwankungen aber auch dazu nutzen, Werte günstiger nachzukaufen. Die größte Gefahr ist meiner Meinung nach, dass die Deutschen immer noch glauben, dass das Guthaben auf dem Konto sicher ist. Natürlich werden 5000 Euro auch in fünf Jahren noch 5000 Euro sein. Doch man muss den Kaufkraftverlust bedenken. Bei Aktien kann es mal schwanken, aber wir werden – wie in der Vergangenheit auch – über einen gewissen Anlagehorizont die einzig reelle Chance auf Rendite haben. Durch die enormen Geldspritzen von Regierungen und Notenbanken über lange Zeit ist der Zins über Jahre definitiv tot. Das heißt, die Anleger werden damit konfrontiert werden, dass sie mit Sparen keine Rendite mehr erzielen. Dass gegebenenfalls ihre Bank mit Strafzinsen auf sie zukommen wird und dass sie wirklich, wenn ihr Geld arbeiten soll, über den Tellerrand hinausblicken und sich dem Thema Aktien widmen müssen.
Wie gehe ich am besten vor, wenn ich mich mit Aktiengeschäften nicht so gut auskenne?
Ahrens: Auf jeden Fall einenExperten konsultieren. Man sollte jemanden fragen, der neutral ist, der vielleicht bankenunabhängig ist und keine eigenen Produkte vertreiben muss. Der Anleger sollte gewisse Ansprüchehabenundgeltendmachen. Viele Anleger zum Beispiel möchten nicht so hohe Schwankungen haben oder sie wollen in grüne Anlagen investieren. Das Gespräch mit dem Finanzexperten ist für mich unerlässlich, wenn man nicht selbst die Expertise hat.Und die haben die wenigsten.
Quelle: Wirtschaft – Das Interview führte Sandra Mönius.