Was für ein Jahr! Die Corona-Pandemie hat uns alle ganz schön
gefordert. Die gute Seite: Wir konnten in diesem Jahr viel lernen. Zum
Beispiel darüber, wie eng Chancen und Risiken verbunden sind.
Keine Frage: 2020 hat vieles auf den Kopf gestellt. Alte Gewohnheiten
oder Gewissheiten, die 2019 noch Bestand hatten, gelten in diesem Jahr
nicht mehr. Statt Nähe zu leben, bleiben wir auf Abstand, statt im
Großraumbüro zu sitzen, arbeiten viele im Homeoffice und statt im
Flugzeug von Konferenz zu Konferenz zu fliegen, sitzen wir in
Video-Meetings.
Auch für Anleger war 2020 eine Herausforderung. Begann das Jahr an
den Aktienmärkten vergleichsweise ruhig, drückte die Pandemie die Kurse
im März innerhalb kurzer Zeit tief in den Keller. „Das Jahr 2020 war
nichts für schwache Nerven“, sagt Rainer Kienzle vom Stuttgarter
Vermögensverwalter SVA AG.
Schneller Absturz, schneller Anstieg
Allerdings – und auch hier ist 2020 anders – ging es an den Märkten
fast genauso schnell wieder nach oben: „Ein Analyst hat es treffend
beschrieben mit der Zeile „Runter mit dem Fahrstuhl und rauf mit der
Treppe““, erklärt Frank Wieser von PMP Vermögensmanagement in
Düsseldorf. Nach der Finanzkrise 2008 oder dem Platzen der Dotcom-Blase
dauerte die Erholung mehrere Jahre.
Diesmal folgten dem schnellsten Crash in der Geschichte der Börsen
gigantische staatliche Rettungspakete und historisch niedrige Zinsen.
Die Folge: deutliche Kursanstiege an den Aktienmärkten.
„Wenn man nur den Anfangs- und den Endstand zum Beispiel des Dax
anschaut, könnte man meinen, es war ein langweiliges Jahr und glatt den
Corona-Crash von über 30 Prozent Verlust vergessen“, sagt Mathias Lebtig
von der FP Asset Management GmbH in Freiburg. Frank Wieser ergänzt:
„Kein Anlageprofi hätte vorher so etwas erwartet.“
Kein Vermögensaufbau mit Zinsen
Und doch hat diese Krise, die so vieles infrage stellt, auch die eine
oder andere Wahrheit bestätigt. Beispiel: „Aktien sind eine der
wichtigsten Assetklassen“, sagt Prof. Hartmut Walz, Verhaltensökonom an
der Hochschule Ludwigshafen am Rhein.
Zwar waren sie das auch schon vorher. „Die Pandemie hat aber dazu
geführt, dass Anleger die Geldillusion aufgegeben haben.“ Denn mit
Zinsen lässt sich – gerade vor dem Hintergrund der hohen Liquidität – in
Zukunft kaum Vermögen aufbauen. Das sollte jetzt jedem klar geworden
sein.
Wer eine Chance auf Rendite haben will, kommt an Aktien nicht mehr
vorbei. „Spätestens durch die enormen Geldspritzen in 2020 zur Stützung
der Wirtschaft in der Corona-Krise sind Zinsen auf lange Sicht tot“,
erklärt Petra Ahrens von der Maiestas Vermögensmanagement AG.
„Rentenpapiere zählen daher zu den Verlierern.“
Selbst Gold, das in Krisenzeiten gemeinhin als sicherer Hafen gilt,
konnte in diesem Jahr seinem Ruf nicht ganz gerecht werden. Zwar
kletterte der Preis für eine Feinunze von rund 1350 Euro Anfang 2020 auf
über 1730 Euro im August. Im Dezember sank der Preis allerdings wieder
auf rund 1530 Euro.
Schwankungen muss man aushalten
Wer sich jetzt an den Aktienmarkt wagt, sollte aber wissen, worauf er
sich einlässt. Denn Kurse schwanken – auch das konnten Anleger 2020
eindrucksvoll beobachten. Und diese Schwankungen muss man eben aushalten können. Schließlich ist Angst bei der Geldanlage ein denkbar schlechter Ratgeber.
„Wer sich im März von allgegenwärtiger Panik anstecken ließ, wird das
Jahr sehr wahrscheinlich mit einem mehr oder weniger schmerzhaften
Minus abschließen“, erklärt Hermann Ecker, Vermögensverwalter der
Bayerische Vermögen Management AG. „Wer einfach durchhielt, könnte mit einem leichten Plus abschließen und wer auf dem Höhepunkt der Panik mutig zukauft, darf sich über schöne Gewinne freuen“.
Hoffnung liegt auf 2021
Nach dem Einbruch in diesem Jahr sind Wirtschaftsexperten für das
kommende Jahr wieder optimistisch. „Wir sehen aktuell mehr Chancen als
Risiken“, sagt etwa Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und
Firmenkunden der Deutschen Bank.
Die derzeitigen Beschränkungen des gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Lebens würden zwar die Wirtschaft im Winterhalbjahr
belasten. „Aber selbst wenn sie verlängert werden, dürfte der
Wirtschaftseinbruch längst nicht so stark sein wie im Frühjahr.“
Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei Deutsche Bank
Research erwartet, dass sich die Wirtschaft 2021 weiter erholt. „Die
Weltwirtschaft erlebt derzeit den tiefsten Einbruch seit dem Zweiten
Weltkrieg, aber der Ausblick auf 2021/22 hellt sich auf.“
Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank ist sogar überzeugt: 2021
wird ein Aktienjahr. Die Aussicht auf einen Impfstoff beflügele die
Börsen. Die Notenbanken in Europa und den USA werden ihre ultra-lockere
Geldpolitik zudem vorerst nicht verändern. Erst wenn Corona die
Konjunktur in den jeweiligen Wirtschaftsräumen nicht mehr oder nur noch
unwesentlich einschränkt, sind Anpassungen denkbar.
Wo die größten Chancen warten
Stellt sich am Ende also die Frage: Wohin nun mit dem Geld? Geht es
um die chancenreichsten Unternehmen oder Branchen, sind die Experten
uneins. Während die einen wachstumsstarken Branchen wie Pharma und
Technologie weiterhin Potenzial zutrauen, sind andere skeptisch.
„Ob man Aktien von Unternehmen kaufen muss, die in diesem Jahr um
mehr als 200 Prozent performt haben, sollte gut durchdacht werden“, sagt
zum Beispiel Petra Ahrens.
Aus Sicht von Prof. Walz sollten Anleger vor allem eines beherzigen,
wenn sie in Aktien investieren: „Spekulieren Sie nicht.“ Sein Rat: das
Risiko streuen. Statt Einzelaktien also eher einen günstigen ETF auf
einen Weltindex wie den MSCI World kaufen. Und: Nicht alles nur in
Aktien investieren, sondern auch Immobilien berücksichtigen oder
Rücklagen auf einem verzinsten Konto bilden.